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Montag, 16. März 2015

Arbeitstitel: Rex Gildo

Ich bin ja ein musikalischer Typ.
(Schön blöd, wenn einem keine schönere Einleitung, als ein oller Ich-Satz einfällt, aber Schwamm drüber).
Nun gut, das müsste man dem ein oder anderen Nachbarn vielleicht auf nachdrückliche Art und Weise einbläuen.
Immerhin bin ich wohl der Einzige, der es mit einer kleinen harmlosen Gitarre schafft, einen amtlichen Rex-Gildo-Gegenschall in Bierzelt-Lautstärke zu erzeugen.
Aber so generell kommen da Töne, die ich nur einem Menschen zu verdanken habe:
Klampfen-Urvieh, Godfather of Zottelkopf mit Schnäutzer, der Jean Pütz der Saitenlobby - Peter Bursch.

Kürzlich stolperte ich bei aufflammender musikalischer Recherche glatt wieder über mein altes Idol.
Auf der Suche nach einem dekorativen Poster mit Übersicht aller wichtigen Gitarrengriffe, klickte ich mit nervösem Finger auf dieses verheißungsvolle Thumbnail, hinter dem sich tatsächlich Peterchens Griffeposter verbergen sollte.
Alter Marketingexperte!
Und da waren sie, live und in Großaufnahme, die wichtigsten Tabs...und Wurstfinger..
unfassbar, dass es sich um die Griffel meines ehemaligen Gitarrenlehrers handeln sollte!
Peters Hände schienen zart und weich - ich kannte sie ja nur vom Hörensagen seiner beigelegten Audio-CD - in meiner Erinnerung flitzten sie gekonnt über das Griffbrett und zupften den seidigen Stahl, dass es eine wahre Freude war.
Hier jetzt aber: Assoziationen in Wurst.
Die Scorpions im zarten Saitling, Slash is(s)t ein Deutschländer-Würstchen.

Dabei hatte Peterle mir damals A-Moll, E und auch das fiese F auf so herzerfrischende Art und ganz ohne lästigen Gitarrentransport beigebracht.
Auch jedes Lied von Modern Talking ließ sich mit diesem umfangreichen Repertoire, bestehend aus maximal vier Griffen, adhoc nachvertonen.
...wenn man es denn wollte.
Manchmal reicht eben schon die Gewissheit, zu realisieren, dass man könnte - ...
Sie verstehen sicherlich.

Also Buch auf, CD rein, schon erklangen die ersten Lagerfeuersounds, die der Autor seinerzeit als einleitende Klänge für seine Gitarrenjünger eindigitalisiert hatte.
Laut Klappentext hatten bereits Generationen von mehr oder weniger Willigen auf diese Art erlernt, wie man seine Nachbarn oder Familienmitglieder sehr effektiv der wohlverdienten Frei- und Ruhezeit entledigen konnte.
Verwegen übte auch ich bereits ab Tag 2, Lektion 4 bei geöffnetem Fenster - von der beinahe papierdünnen Tür zu den Mietern nebenan ganz zu schweigen.

Ungefähr bei Lektion 21 lud mich Mister Mieter aus einem mir nicht mehr ganz ersichtlichen Grund dann in seine sonst so belärmten Gefilde.
Vermutlich fungierte ich vorderrangig nur als Lastenträger für ein sperriges Möbelstück - ich bin eben auch ein starker Typ.
Die mir daraufhin stolz präsentierten Fotos seiner schwangeren Dame im Eva-Kostüm brannten sich dagegen mindestens genauso in mein zart besaitetes jugendliches Gehirn, wie die roten Kreuze auf dem großen Jahreskalender...
Was wollte der Mensch mir damit sagen?
Tschernobyl 1986 stand da in alarmierend roter krakeliger Schrift, und: Schwiegermutter kommt...irgendwann im April.

Das fette Kreuz Anfang März erschloss sich mir erst Wochen später, als sich das junge Paar samt inzwischen eingetroffenem Nachwuchs anschickte, das bis dahin so musikalische Nachbarschaftsverhältnis aus Platzgründen zu beenden.
Dabei hatte ich mir durchaus Mühe gegeben, die nachmittaglichen Stillvorgänge dezent mit Rammsteins "Du Hast" unter Verwendung von babygerechter Distortion und der Lautstärke eines Düsenjägers zu untermalen.
Der geneigte Leser vermag bereits zu erkennen, dass ein funkelnder Verstärker samt E-Gitarre dank märzigem Geburtstag bei mir zur Untermiete Einzug gehalten hatten.

Also Einzug, Auszug - auch da werden Ihre Kombinationsgaben Sie jetzt nicht im Stich lassen, davon bin ich fest überzeugt.
Was bleibt sind ein paar burschige Akkorde, Bilder im Kopf, die zwischen Entsetzen und schwelgenden Erinnerungen schwanken und die Gewissheit, es unter die ganz großen Kreuze im Kalender geschafft zu haben.

Und oh elastischer Rex: Dich mochte ich ja immer irgendwie, aber kannste den neuen Nachbarn nicht mal aus dem für sie gar nicht so entfernten Jenseits funken, dass sie das nicht prophylaktisch betreiben müssen?! Bierzelt und so - Du weißt schon ;)

Arbeitstiteligst,
Dein/Ihr/Euer

Mann.im.Meer