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Donnerstag, 24. September 2015

Werfttagebuch 2. Akt

Vorwort:

Wenn Sie etwas übrig haben für Akt und Co. - die Frau Möwe hat da was für Sie.

Ja, es gibt auch noch andere Meeresdingsen, aber nur hier im

~Original~

wird so vorzüglich gecruised.

Ende der Durchsage, weiter zum Text:




Werfttagebuch 2. Akt


oder: Diesmal lasse ich es mir machen!

21.06.: Bombenstimmung! Nachdem das Spezialwerkzeug lustig am Regal baumelt, feiere ich genüsslich meinen ersten Triumpf!
Sprichwörter wie "Hochmut kommt vor dem Fall" oder "Wer anderen eine Bratwurst brät"
ignoriere ich zu diesem Zeitpunkt professionell.
"Nun!"......
"Nun!", so rufe ich "legt mir hier keiner mehr irgendwelche unlösbaren Schrauben in den Weg!" und tanze wie Tom Hanks um sein erstes zartes Flämmchen in "cast away".
Überlege, mir auch einen Wilson anzuschaffen, mit dem ich meine Reparatur-Fortschritte teilen kann.
Warte vergeblich auf den Tag, an dem der Regen einen alten Volleyball durchs Garagentor spült, dem ich eine ölverschmierte Hand in die Visage drücken kann.
Der Juni ist ein gnadenlos dürrer Doofmann!

Also heißt es wieder "Selbst ist der Mann".
Ein Blick in mein Handbuch verrät, dass die Schraube, für die das monumentale Spezialwerkzeug gebaut wurde, ganz am Schluss auch wieder mit exorbitanter Kraft angezogen werden muss.
Dies wiederum erfordert ein weiteres Spezialwerkzeug, dass meiner Sammlung leider nicht beiwohnt:
Einen 500-Newtonmeter-Drehmomentschlüssel - mit titanbeschichteter Auslösemuffe und  hartverchromter Einstellmutter....*grunz*

Das Grunzen bleibt mir jedoch im Halse stecken, als ich feststelle, dass weder Wilson noch Tim Taylor anwesend sind, und ich mich auch nicht in der Garage dieses Heimwerker-Kings befinde, in der man so eine Gerätschaft mal eben funkelnd von der Werkzeugwand hievt.
Dieses Mal hilft weder ein Rohr, noch ein Kumpel mit Telefonanschluss.
Fazit des Tages:
unlösbare Schrauben sind doof.
Andersherum ist aber auch mehr so mittelgeil.


25.06.:
Überlege seit Tagen, dass ich mir am Ende der Reparatur so einen Drehmomentschlüssel leihen muss.
  • Wer wird so ein Baby aus der Hand geben?
  • Werde ich mich beim abschließenden Versuch, mit diesem wirklich langen Ding zu hantieren letztendlich gesund und wohlbehalten am Garagenboden wiederfinden?
  • Und warum müssen die Rohre in diesem Text eigentlich immer so lang sein?!


27.06.:
Ende der Grübelei: mein Werkzeug glüht.
Schraube um Schraube verlässt in einem Wahn von Losschrauberei den Motorraum.
Manchmal denke ich daran, die lustigen Metallkameraden in entsprechend gekennzeichnete Kartons zu bugsieren.
Manchmal - Sie ahnen es - aber auch nicht.
(Schließlich besitzt kein Mann ausreichend viele bunte und praktisch bemaßte Kartons!)

Ein bisschen Nervenkitzel muss eben auch sein, denke ich so bei mir.
Dann fällt mir ein Satz aus "Werfttagebuch 1. Akt" wieder ein, der die fatalen Folgen bei mehrwöchiger Reparatur in Kombination mit meinem Gedächtnis mahnend erwähnte.
Zu spät!
Männer, Nervenkitzel, keine Kartons.....Mut zur Lücke!

Frage mich zudem, woher all die rostigen Bleche kommen, die man vorher so gar nicht aktiv wahrnehmen konnte.
Zum Glück erscheint Tine Wittler auf meiner Schulter, um adhoc in geistige Farbberatung einzusteigen.."Die musst Du lackieren, Meerescruisenmann"..
"Kotztütengelb und WennmanLeberwurstindieSonnelegt-grün sind gerade voll im Trend, dazu noch eine geringelte Zündkerz....." höre ich sie sagen,
dann breche ich unter der Last zusammen.
Später erfahre ich, dass man nach der Demontage des Benzinschlauchs nicht lange und tief einatmen sollte.
Gebe Wilson die Schuld! Hätte er sich endlich mal angekündigt, hätte ich doch das Garagentor einen Spalt offen stehen gelassen.
Keine Dämpfe - keine Tine.
Aber auch keine geringelte Zündkerze.
....
Wiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiilson!!!!

30.06.:
Da liegt er, der Schurke!!

oder anders gesagt: Der Zylinderkopf ist draussen...der Motorraum entkernt.
Frau Wittler hat heute frei, ich habe dem Benzinschlauch seinen offenen Schlund gestopft!
Da Schurken dazu da sind, ergriffen zu werden, sollten die nächsten Arbeitsschritte wohl klar sein.
Suhle mich aber erstmal im Ruhm, den schweren Klumpen unter knarzenden Rückengeräuschen vom Auto auf den letzten freien Teil der Werkbank gehoben zu haben.
Das geht besonders gut, wenn Worte wie
"Hast Du etwa einen Kran?!" aus bewunderndem Frauenmund als nachträgliche Anfeuerung dienen.
Sehr empfehlenswertes Erlebnis für jeden, der sich ein mal wie der verschollene dritte, aber nicht minder eingeölte Klitschko-Bruder fühlen möchte.
"ooooooooh, und willst du eine Mialchrrrschnjittä?!"

Stelle fest, dass Milschnitte in dem Zusammenhang gefährlich doppeldeutig anmutet, schicke die Bekannte mit dem bewundernden Frauenmund lieber wieder an ihre Arbeit.

01.07.:
Obwohl ich bei "Boerne und Thiel" mehr Gemeinsamkeiten meinerseits zum kleinen dicken flitzenden Kommissar, als zum vornehm sezierenden Pathologen mit Stock im Arsch entdecken kann, filetiere ich den nun einsam vor mir liegenden Zylinderkopf so gekonnt, dass eben dieser Boerne schwer mit seiner Contenance zu kämpfen hätte.
Kein Spezialwerkzeug, keine Chemie, keine versteckten Kosten.
Der Motorenhimmel könnte nicht viel schöner sein, ich wage aber nicht, mich bereits in selbigem zu wähnen, obwohl die Schraubenfraktion mir diesmal wohlgesonnen scheint.

Es kommt, wie es kommen muss!
Im letzten Akt dieses Zwischenaktes spielt mein geliebter Motor seinen Trumpf aus: 
"er habe eben für sehr lange Zeit auf frisches Öl verzichtet, der Umwelt zur Liebe...nachwachsende Rohstoffe und so"
Leider kann ich die Rücksicht auf die Umwelt zu diesem Zeitpunkt nicht unterstützen:
Als ich tiefe Riefen und Kratzer in der final entnommenen Nockenwelle entdecke, wird mir so warm, dass irgendwo eine Polkappe schmilzt.
Weil das noch nicht genug ist, fällt mir als nächstes auf,
woher das Erdöl seinen Namen bezieht:
Wenn man nur lange genug wartet, verwandelt das Öl sich nämlich wieder in Erde.
Beschließe, dass der Vorbesitzer diesen Nachweis erfolgreich erbracht hat,
brauche nun aber einen neuen Zylinderkopf.
Dabei würde ich viel lieber Ersatzteile bestellen.


03.07.:
Sicher haben Sie schonmal versucht, einen Zylinderkopf für ein 29 Jahre altes Auto zu ergattern.
Wer auf Schmerzen steht und etwas Zeit mitbringt, sollte das auf jeden Fall mal versuchen.

Aber ich habe Glück - hier und dort findet sich doch ein Zeitgenosse, der das gebrauchte Stück Metall zum Freundschaftspreis aus seiner messie-ähnlichen Garage ausgraben möchte.
Die Stimme am anderen Ende des Telefons verabredet sich mit mir für Sonntag...
wird aber Samstagabend noch auf einem Familienfest zum Saufen gebraucht.
Uneigennütziger Typ!
Wer sich schonmal an Kleinanzeigen und deren Abholvorgängen verlustiert hat, weiß schon jetzt, was Sonntag kommen wird.
Für alle Anderen: nein, kein Fernsehgarten, keine Lindenstraße.

Aber hey, 70,- Euro Ersatzteilkosten locken meine geschundene Seele.
Wilson kann auch nicht intervenieren - er ist ja nicht hier.
Zwei Tage und diverse Liter Bier und Schnaps stecken zwischen Telefonat und "Termin", ein bisschen mulmig wird mir dann doch, obwohl auf meiner Haben-Seite null Promille zu verbuchen sind.
Mit eben diesen fahre ich los - 50km Anfahrt sind nicht zu viel für das Wohl meines treuen Kameraden, der nun schon seit einem Monat tapferes Garagendasein fristet.
Oh armer, alter, eckiger Kerl...Dein Retter naht!
Moment, Dein Retter schreibt eine whatsapp.......
Dein Retter schreibt noch eine whats....ehm, Dein Retter ruft mal an!

Was leidlich wenig nützt, wenn der vermeintliche andere Retter am anderen Ende der Leitung noch von seiner Selbstlosigkeit zehrt - oder anders gesagt:
Andi, der Zylinderkopfverkäufer, schläft den Schlaf der Berauschten.
An einem Sonntag um 14.30 Uhr.
Ich bin eben auch ein gutgläubiger Typ.


03.07. nach dem Rausch:
Nach einer einsamen Stunde auf dem Marktplatz eines mir bis dato nicht näher bekannten Ortes, sendet Porno-Andi* ein erstes Zeichen aus dem Wachkoma.
Leider bleibt dieser Absatz frei von Überraschungen, denn der Typ hat natürlich verpennt, muss sich noch anziehen, wäre in EINER Minute da.
Ich rufe schnell bei Jörg Wontorra an - meine Sendezeit in der nächsten Folge "Bitte melde Dich!" darf nun wieder anderen Witwen und Waisen zugewiesen werden.
Warum Andi plötzlich Porno-Andi heißt, interessiert den Wontorra aber wiederum nicht.
Kai Pflaume habe ich jedoch leider nicht in meiner Kontakteliste.
Verflixt.

Der goldene Benz mit den viel zu breiten Reifen, mit dem mein "Retter" nach 15 Minuten endlich um die Ecke geholpert kommt, könnte jedenfalls auch den Love-Caravan ziehen.
Wenn man so eine Ludenschleuder sonst ebenfalls nur auf der Mattscheibe sieht, wird so ein gestreckter Sonntagsverkaufsausflug zu einem durchaus traumatischen Erlebnis.
Es kommt, was kommen muss:
Der Typ, der dem prolligen Haufen Altblech entsteigt, gibt erstmal einen Auszug aus seiner Vita zum Besten.
Kleinanzeigenkäufer kennen §1 BKAKG (Bundeskleinanzeigenkompetenzgesetz) eines jeden Privatkaufs:
"Komme nie ohne Umschweife zum Geschäft! Erwähne stets zuerst das Furunkel von Omma....ihrer Schwester deren Großnichte 10. Grades! Ware? Das hat Zeit!"

Andi hat schon viele Autos repariert, blablabla und sein Zylinderkopf wäre natürlich total toll - mehr kann ich mir Marktplatz-mürbe auch nicht mehr merken.
Jetzt müssen wir nur noch zu seiner Garage fahren und mein Baby heben...
das Garagentor wird sich öffnen und mein zukünftiges Motorenschicksal besiegeln.
Excalibur!
Natürlich baut ein echter alter Kleinanzeigen-Hase den zugehörigen Ablauf dramaturgisch gewaltig auf - Andi dagegen ist einfach noch ziemlich hackedicht und deshalb langsam.
Er findet den Weg aber trotzdem, blinkt nur nicht an den entscheidenen Wegpunkten.
Bemerkt aber erst hinterher, als wir angekommen sind, dass er ja noch gar nicht fahren dürfe...
Ausserdem erfahre ich, dass er bloß "alles" verkaufen muss, weil seine Perle ihn rausgeschmissen habe.
Stelle fest, dass andere Typen einen Wilson noch viel mehr gebrauchen könnten!

Dann öffnet sich das Garagentor und spuckt den erwarteten Messie-Berg aus.
So, wie Andi zeitgleich ausspuckt, dass "man seinen Pimmel niiiiiiiiiiiie woanders reinstecken sollte - wenn man dabei erwischt wird." *Brüller!*
In einer dunklen Ecke entdecke ich fahl einen alten Zylinderkopf, muss aber seltsamerweise an "Milchschnitte" denken...



  ~.....to be continued~