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Mittwoch, 10. Dezember 2014

Der Alte mit seinem ausserirdischen Kleinen

Ich muss mal wieder zum Arzt.
2x werden wir noch wach, dann kann ich meiner neuen Lieblingsbeschäftigung wieder fröhnen.
Was daran eher uncool ist: mein Schreibgen versteckt sich in solchen Zeiten gerne dort, wo die Sonne selten scheint, und meine Kreativität wohnt wieder oben,

bei Mutti.

Wenn sich die beiden Racker also vermeintlich erfolgreich drücken wollen, greife ich zu den  schärfsten Waffen eines Mannes.
Teleshopping!
Also mehr Kucking als Shopping, wohlgemerkt, aber das haben Sie sicher bereits wohlwollend vermutet.
Bitte an dieser Stelle bejahend nicken!

Wobei ich ja inzwischen schon beim Master of (the) Wartezimmer (Universe) angekommen bin.
Steige da ganz groß ein, habe den Bachelor gleich ausgelassen!
Die Reaktionen kamen nicht so gut, als ich zu Beginn meiner Laufbahn mit meinem alten Konfirmationsanzug und den Rosen durch die Wartezimmertür schritt und für meinen "willst Du diese Rose von mir haben"-Satz nur 10 erschrockene Oma-Augenpaare zur Auswahl hatte.
Die "Spielwiese" in Abmaßen von 3x3 Metern und die Bikinis in südafrikanischer Sonnenuntergangskulisse konnte ich mir also auch abschminken.
Da guckt man einmal im Leben RTL und prompt reingefallen.

Aber so ein Wartezimmer erschreckt mich nun nicht mehr.
Inzwischen schreite ich entschlossen durch die Tür, brülle laut "Guten Morgen", dass es Opa Kozlowski beinahe zum Gruße in die Hacken fährt.
Die Bühne gehört mir, wenn die zahlreich erschienenen kranken Köpfe, Körper oder beides zusammen sich meiner Person zuwenden.
Eine Mischung aus angepisst und erschrocken schwappt mir entgegen, meine Hand gleitet in bester Westernmanier in Richtung Seitentasche, denn ich habe ein Buch dabei!
Spätestens jetzt wird den Anderen klar, dass ihnen soeben ein Profi erschienen ist.

Während die Köpfe wieder sinken, um zurück in das von ihnen verlangte zweistündige Ausharren zu verfallen, und Opa Kozlowski seinen Arm gerade noch vom Salutieren zurückziehen kann, setze ich mich.
Nachdem das mit dem Bachelor ja Scheiße war, sitze ich wie es sich gehört
in der ersten Reihe.
Schließlich bezahle ich Rundfunkgebühren und bin Profimaster mit Buch!
Da ziemt es sich nicht mehr, sich in den hinteren dunklen Gefilden von Wartezimmern zu verschachteln.

"Haben se gedient?" entfährt es Kozwloski durch die schon wieder eingetretene Stille.
"jawoll" sage ich mit tiefem Brustton,
und: "man, habe ich da geschleppt! Das waren Kameraden!......nein, was habe ich da geschleppt!"
 Ich sehe, wie seine Augen leuchten. Und leuchtende Augen in Wartezimmern zu kreieren, dass ist quasi so einen Zentimeter vorm Bundesverdienstkreuz.

"Hauptfeldwebel, zweiundvierzigste Kompanie!" sagt die knorrige Stimme neben mir.
"Angenehm! Zivildienst neunundneunzig", sage ich.
...
Stille tritt ein, wieder den Tag eines Senioren versaut, Zeit für mein Buch.
"Der Alchimist".
 Ich bin ja ein belesener Typ,
denken die im Wartezimmer jetzt.

Gleichzeitig fragt sich ein Jeder, ob und wann so ein Patient den Arzt wohl noch zu sehen bekommt.
Da ist das beim Teleshopping schon leichter.
Eine in Pumuckl-Gedächtnis-Schlafanzug gehüllte und mit Frotteesocken bestrumpfte Dame liegt auf dem Studioboden. Hochglänzend. Nicht die Dame.
Die Waden auf einem Etwas ruhend, das ungefähr so aussieht wie E.T. - nur eben aus billigem blauen Plastik gestanzt.
Und telefonieren kann man damit auch nicht.

Überhaupt wesentlich weniger niedlich anzuschauen, diese lieblose, irgendwie beknackt wackelnde Kopie.
Immerhin ist der Ausserirdische für zuhause auch nur 94 Euro und 20 Cent, wie Walter Freiwald, Grandfather of Teleshopping, es grammatikalisch grausam ausdrücken würde.
Habe ich doch glatt zur Schnäppchenstunde um zwei Uhr MEZ eingeschaltet, herzlichen Glückwunsch!
Ein Mann im viel zu engem weißen Oberteil ohne weitere Textilien darunter, schlonzt auf allen Vieren um das Gebilde aus Frau und Plastik herum.
Man merkt schon, es ist kein schöner Anblick, der sich den geneigten siebzehn Zuschauern (mich eingerechnet) die dies gerade verfolgen mögen, bietet.
"Wuff", entfährt es meinen Gedanken, bevor ich bemerke, dass es sich beim Hündchen mit den sich abzeichnenden permanent harten Nippeln wohl um den "anwesenden Facharzt" handeln soll.
So sehen die also aus, in freier Wildbahn, ungeschminkt und betriebsbereit...
was für ein Erlebnis, vollkommen ohne Wartezimmer, Lesen und das ganze Gedöns.

Habe mir dann nochmal Rosen besorgt.
Im Gegensatz zu Wartezimmer-Publikum ist die gemeine Sprechstundenhilfe da nämlich viel empfänglicher.
"Kozwloski!", sage ich, während mein angeklebter Schnäuzer verdächtig wackelt und mein Konfirmationsanzug nocheinmal mächtig kneift...."Brauche die Überweisung von meinem Vatter nochmal und wollen SIE diese Rose von mir haben?"

Ich weiß nicht, was Opa Kozlowski jetzt mit E.T. so treibt, aber den Spaß waren mir die vierundneunzigeurozwanzig wert.
Vielleicht klappts dann bei meinem nächsten Auftritt auch richtig mit Hacken zusammen und Salutieren.
Man sieht sich ja immer zwei Mal im Leben.

Rosigst,

Ihr MiM

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