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Sonntag, 2. August 2015

Werfttagebuch 1. Akt

...oder: Jetzt mache ich es mir selbst.

Ich bin ja auch ein handwerklicher Typ.
Wer aufmerksam mitgelesen hat, der weiß: Mein Dampfer ruht seit einigen Monaten in der Werft.
Böse Zungen würden behaupten: Mein Auto blockiert schon viel zu lange die Garage.
Dabei wollte ich doch nur die Zylinderkopfdichtung erneuern.
Das macht man so:
Zylinderkopf ab, fachmännisch gucken, "oha, das wird teuer!" denken, Kopf wieder drauf (also den vom Zylinder), Augen zu und weiterfahren.
Eigentlich kein Ding für einen Mann von Welt mit einer kleinen Auswahl an Werkzeug.
Auch von Welt.

29.05.:
Noch hat das Grauen keinen Namen. Zwar cruised es sich angesichts der gestiegenen Aussentemperaturen nicht mehr gänzlich unbeschwert, aber das kann bei so nem alten Auto ja mal vorkommen.
Um den drastisch steigenden Motortemperaturen entgegenzuwirken, darf man nur nicht anhalten. Fahrtwind ist toll und kostet nix - es ist vielleicht ein bisschen schwierig, das Rufen der entsetzten Passanten zu überhören, weil man ja auch mit komplett heruntergekurbelten Seitenfenstern fahren muss.
Ausserdem empfiehlt es sich, den Heizungsregler nicht aus seiner seelig schlummerigen Dezemberstellung zu wecken.
Während draussen schon der Asphalt flimmert, gehen im Innenraum des KFZ der Fahrer und ein im Handschuhfach schmelzendes Snickers eine optische Symbiose ein.
Ok, die Heizung läuft volle Pulle.

30.05.:
Da die geschilderten Umstände nun schon seit längerem andauern - alles begann damit, dass die Aussentemperaturen Ende Februar unerwartet über die 15°C-Marke kletterten - hole ich mir eine zweite Meinung ein.
Mein Kumpel meint, ein neues Fahrwerk würde nur unwesentlich dazu beitragen, keine rollende Sauna auf Rädern mehr bewegen zu müssen.
Möglicherweise wäre es nicht schlecht, die Ursache doch mal am Motor selbst zu suchen.
Recht hat er!
Entferne den Satz Tieferlegungsfedern und Stoßdämpfer aus dem Warenkorb und
bestelle noch in der Nacht nach dem Aufeinandertreffen einen kompletten Motor-Dichtungssatz bei amaz**.
Kostet nur 40,- Euro. Läuft!

05.06.:
Der Dichtungssatz ist da.
Gönnerisch lege ich die sensibel verpackten Papierdichtungen auf das Armaturenbrett meines stillgelegten Autos.
Alles wird gut. ...dazu sollte ich vielleicht bald mal anfangen.

07.06.:
Überlege, welche Ersatzteile ich noch gebrauchen könnte.
Vielleicht sollte ich schonmal bestellen.
Vielleicht fange ich aber lieber erstmal an...bald.
Nein, es ist nicht die Angst, das alles nicht wieder zusammengeschraubt zu bekommen.
Es ist der Respekt eines Mannes, der weiß, dass es später schwierig werden könnte, sich an jede Schraube zu erinnern, die man in einer mehrwöchigen Reparatur beiseite gelegt hat.
Ausserdem empfiehlt es sich, das Herz meines bislang eigentlich ganz treuen, wenn auch leicht verschwitzten Kameraden zuerst sachte zu demontieren.
Es könnte ja noch viel mehr kaputt gemacht werden sein.
Ich öffne die Motorhaube, dann folgt eine Dreiviertelstunde Selbstkasteiung, noch keine Ersatzteile zu bestellen.
Ich bin eben auch ein geduldiger Typ.

08.06.:
Hänge beinahe lässig im Vorbeigehen den Gasseilzug aus.
Bestelle keine Ersatzteile. Lobe mich ermutigend.

10.06.:
Auseinanderbauen ist ganz ok........ich erspare uns die Details.
Verkünde stolz, dass noch nichts kaputt gegangen ist.
Nur deshalb, muss ich noch keine Ersatzteile bestellen.

11.06.:
Das Auto ist der Meinung, dass ich ein Spezialwerkzeug brauche, damit es mir seine Kurbelwellenzentralschraube gibt.
Mir wird gewahr, dass man dieses Problem viel zu selten im Leben hat.
Sonst hätte ich ja ein Spezialwerkzeug - so wie wir alle, oder nicht?!

Finde das Werkzeug für 80,- Euro bei ebay.
Sinniere, ob das Leben einer Schraube mit Geld aufzuwiegen ist und wenn ja, mit welchem Betrag. Mit Naturalien wird man nicht weit kommen.
Ich schleiche um diese Anschaffung, wie Robert Redford um Demi Moore.
Aber es ist kein guter Tag zum Ersatzteile bestellen: im Internet stoße ich auf den Ratschlag, sich das Spezialwerkzeug doch bitte günstig selbst anzufertigen.
Vom Schwierigkeitsgrad soll das laut schrauberclown88 irgendwo zwischen "züchte Deine eigenen Flusskrebse" aus der Yps! und "my first pony" liegen.


14.06.:
Habe keine Lust auf Flusskrebse und ein Rohr habe ich auch nicht.
Frage meinen Kumpel per SMS.
Sein Rohr wäre nicht ganz rund, aber er könnte eins besorgen.
Das ist gut, ich brauche ein Stahlrohr, ca. 10cm lang, d=64mm und schön dick.
Er versteht mich.
Bevor ich irgendwelche Ersatzteile bestellen kann, muss ich dieses Werkzeug bauen.
Nehmen Sie Ungeduld wahr? Mitnichten.

17.06.:
Ich habe ein Rohr.

20.06.:
Judgement Day:
Mein Kumpel bringt mir das Stahlrohr mit.
Ich schneide mir eine schöne Scheibe ab - 9cm bleiben übrig und verrichten ihren Dienst fortan als Bleistifthalter mit metallischer Duftnote.
Ich flexe und schweiße, als gäbe es kein Morgen mehr.
Am Ende des Tages halte ich ein etwas in meinen Händen, das aussieht wie eine Kreuzung aus Lupe und Vorschlaghammer.
Schicke meinem Kumpel ein Foto, nachdem der lustig verbratene Metallklumpen noch in schwarze Farbe getaucht wurde.
Antwort: "Sieht professionell aus!".

"läuft viel zu gut", denke ich.
 Auch die Kurbelwellenzentralschraube ist verzückt.
Jetzt lässt sie sich so leicht öffnen, dass ich feststellen muss:
DAFÜR hätte ich gar keine Spezialwerkzeug gebraucht.
Schicke mal wieder einen netten Gedankengruß an den Vorbesitzer - Deine letzte Reparatur war sehr professionell, ich hätte mich aber vielleicht hier und dort nicht von der schwarzen Farbe blenden lassen sollen....

Kosten für die Braterei:
- ein bisschen Schutzgas
- eine halbe Trennscheibe für die Flex
- viel von diesen Dings, äh...Konzentration und Durchhaltevermögen
- Matt-Schwarz aus der Dose und 1,4 MB Traffic beim Verschicken der Bilddatei

Selfmade-Erlebnis:
- unbezahlbar




~.....to be continued~


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