Ich hatte heute meine erste Nachtfahrt.
Mag jungfräulich klingen, war es aber nicht - jedoch: fährt man dank
Zeitumstellung an einem Sonntag im Herbst nach 20 Uhr mit dem Fahrrad durch die Gegend, fühlt es sich beinahe so abenteuerlich an, wie ein echtes erstes Mal.
Es ist furchtbar dunkel.
Man ist furchtbar allein. Herrlich!
Ein Mann und seine Maschine....*räusper*....
Na gut, also zumindest wie ein erstes Mal seit Langem, wie so ein "hab ich als
Kind mal gemacht, war echt cool" und (leider) nichts Versautes.
Besonders im Anschluss an nachmittagliche Kuchenvöllerei tut so ein Ausflug durch die herbstliche Dunkelheit echt gut.
Wenn dann auch noch ein frisches Lüftlein kräftig bläst (gnihihi), der
Himmel klar und die Straße wie leergefegt vor einem liegt, kann man mir
also bereits sehr denkwürdige Momente bereiten.
Ich bin eben auch ein bescheidener Typ.
Sobald die von Fahrrad Meier erworbene LED-Lichtorgel an meinem Lenker
den schwarzen Asphalt vor mir in befahrbares Terrain verwandelt, und ich
somit herabfallenden Ästen, Zweigen und Eichhörnchen noch eleganter
auszuweichen vermag, als mir mein naturgegebenes Talent es eh schon
ermöglicht, bin ich schwer zufrieden.
Es sind eben die kleinen Dinge.
Wobei so ein kleines Eichhörnchen schon auch ganz fies großes Unheil anrichten kann, wenn es den Speichen der fröhlich vor sich hinrotierenden 28" Laufräder einen Hauch zu nahe kommt.
Ja, was man nicht alles so denkt und schätzt, während man so mutterseelenallein durch die "Nacht" galoppiert...
man denkt da ziemlich viel und auch nichts. Denkwürdig eben.
Im Geleit von Sternen klar mit Mond und meinem blinkenden
Lieblingswindrad in der Ferne, wird mir dann schnell bewusst, dass ich
gerade nicht viel mehr als das brauche.
Hier ist eigentlich nichts und doch so viel mehr als das.
Ein toller Moment, um leise liebe und vor allem besonders liebenswürdige
Menschen mit einem Gruß in den Nachthimmel zu beschenken oder vor sich
hinzumurmeln, dass man sie vermisst.
Ausser dem Sturm und ein paar Bäumen hört ja auch keiner zu - und das
soll nun nicht bedeuten, dass die beiden genannten Naturburschen keine
guten Zuhörer wären.
Denkwürdig ist auch, dass der Wind das eigentlich einzige Geräusch
bekleidet, dass man auf ner nächtlichen Radexkursion so wahrnimmt -
zumindest solange er von der Seite oder von vorne durch den Schädel
weht.
Erreicht der geneigte Nachtwanderer nämlich diesen Punkt am Ende der
Straße, sich bereits ganz in der Nähe dieses Windrades befindend (Sie
erinnern sich) und wechselt damit zwangsläufig beim Abbiegen die
Himmelsrichtung, ist es plötzlich ganz still:
Wenn der Wind von hinten kommt, fühlt man sich für einen Moment wie im
Auge des Sturms aller sonst so lauten und alltäglichen Dinge. Echte,
denkmerkwürdige Stille ohne viel Nachdenkerei. Seelenbalsamiko!
Notiz an mich: Wer seine Route zuvor in etwa nach der Windrichtung plant, hätte mehr von diesem Stilleanteil...
Aber mit den Himmelsrichtungen hab ich es ja nicht so.
Schwamm drüber.
Paradoxerweise strampelt es sich trotz aller stürmisch-dunklen Meteorologie hervorragend.
So zeigt sich mal wieder, dass sogar noch trotz unangemessen hoher
Kuchenmengen am Nachmittag eine vor Kraft und Vortrieb strotzende
Fahrweise durchaus möglich ist.
So sause ich festlich beleuchtet mit mal wieder gut 30 Sachen durch die
ziemlich finstere Landschaft, lasse das Windrad passieren (nicht, ohne
meine Gehörgänge dabei auf das durch die Luft schneidende Geräusch der
Rotorblätter zu richten und erneut stille Grüße zu entsenden), wage mich
auf den schmalen Weg durch den Waldabschnitt, dessen Herausforderung
weniger darin besteht, dass er nach dem Motto "Loch an Loch und hält
doch" im Jahre 1978 zum letzten Mal nicht ganz fachmännisch geteert
wurde, sondern mehr darin, dass er nen guten Nährboden für jeden
Horrorclown abgeben würde.
Dabei ist allerdings festzustellen, dass mich das eventuelle Auftauchen dieser Spezies gerade nicht beunruhigen würde. Die Luft hat mich mutig gemacht!
Bock, mich mit so nem überschminkt rotnasigen Kettensägentypen nun unnötig herumzuschlagen, hätte ich allerdings auch nicht.
Also erachte ich es für denkwürdig, diese hohle Gasse frohen Trittes hinter mir gelassen zu haben.
"Sternengefunkel ist wirklich gut für die Seele", sagen meine Gedanken.
"Eine leere, top asphaltierte Landstraße am Sonntagabend auch!", wirft mein Fahrrad ein.
Zusammen werden wir jedoch aus unseren Sentimentalitäten gerissen, als
ein haariges Etwas aus dem Straßengraben sich anschickt, das mühelose
Hingleiten jäh zu unterbrechen.
Zu meiner Erleichterung handelt es sich weder um ein Eichhörnchen, noch um einen Horrorclown.
Eine todesmutig oder ebenfalls mit Kuchen überfüllte Katze kommt mit
quietschenden Krallen kurz vor mir auf dem Asphalt zum Stehen.
"Ja, ein denkwürdiger Tag auch für diese Fellnase!", entfährt es meinem
Gespür. Ein paar Minuten früher oder später und sie hätte vielleicht
eine zweite Karriere als Unwucht am rechten Zwillingsreifen von
Brummifahrer Bernd gestartet.
So aber wird sie Zeuge, wie ich sie auf meinem zweirädrigen Schimmel mit
gedacht flatterndem Mantel gekonnt umschiffe und ihr im Vorbeifahren
die Empfehlung ausspreche, den Graben heute lieber nicht mehr zu
verlassen.
Und so begebe ich mich - halb St. Martin, halb Schimmelreiter, halb nix (das ist mal Mathematik! ) - noch ein Weilchen durch die Nacht, die dank der Umstellung auf Winterzeit nur ein verkleideter Abend ist.
Oh, Kuchen.......
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