Jetzt am Wochenende beim Staubsaugen hatte ich plötzlich sein Bild wieder vor Augen.
Und nein, mein Staubsauger ist ein völlig namenloses saugendes Ding - ich bin nicht so einer, der alles und jedem einen Schnullibulli-Namen geben muss.
Kürzlich klingelte es noch an der Tür und so ein Männchen im mehr oder weniger angemessen sitzenden Anzug (nun, bei Männern achte ich nicht so auf Details, ich bitte um Nachsicht, wenn die Beschreibung nun mager ausfällt) wollte mir SEINEN Staubsauger vorstellen.
An der Haustür..."lustich", dachte ich.
Das wäre der "Kobold" - er hatte den Namen sogar in goldender Schrift auf den funkelnden Plastik-Torso des armen Haushaltsgerätes prägen lassen.
"Hol mich hier raus"...wisperte mir der "Kobold" zu, während er an den hageren Händen des gerade um Seriösität und Freundlichkeit bedachten Männchens baumelte.
Mein Blick machte eine Dreiecksbewegung...Kobold, Männchengesicht, Männchenfüße.
Die Füße waren besonders wichtig. Ich mag ja Füße nicht im Speziellen, aber diese beiden standen so herrlich vernünftig vor und nicht in der Tür, dass ich mit einem freundlich und zugleich majestätischen Krawumm die Haustür ins Schloss ballern ließ.
"Ich habe auch noch den Tiger im Auto!" schallte es verwirrt dumpf durch die eigentlich doch sehr massive Aluminium-Glas-Konstruktion.
"Psychopathen" dachte ich..."überall!"...
und Notiz für mich: beim nächsten Mal dann Dreifachverglasung auch im Haustürelement bittesehr.
Nachbarn munkeln, Oma Else von nebenan hätte zu diesem Zeitpunkt entgeistert beim ZDF angerufen.
"Seit wann die denn in der beliebten Nachmittagskochsendung so Explosionen wie in "diesen holliwutt" (Anmkg. der Redaktion: Hollywood) einbauen"...
Unverantwortlich!
Beim nächsten Psychopathenbesuch muss ich mich also noch mehr anstrengen und zusammen mit der 3-fach Sicherheitsverriegelung zu Höchstform auflaufen, damit das echte 5.0er-Erdbeben-Feeling auch nebenan ankommt.
Nur Ton kann ja jeder!
Aber ich schweife ab.
Ich kannte Felix drei Wochen lang.
Felix wurde ja auch nur drei Wochen alt.
Drei Wochen, in denen wir uns Gegenseitig unser Bestes gegeben haben:
Er, indem er einfach da war.
Ich, indem ich ihn versuchte zu wärmen, zu füttern, innerlich und äusserlich für ihn da zu sein, den ambitionierten Papa in mir weckte und immer mit mindestens einem Auge bei ihm war.
Dafür gab er mir zwei Augen zurück...oder besser gesagt: einen Blick aus ebensolchen, der dem Kleinen auch seinen Namen einbrachte:
"Der Glückliche"....Felix war klein, sehr klein, schwach, mit dünnem Fell, welches eine weiß-braune oder schwarze Fleckentarnung erahnen ließ. Aber seine Augen konnten sprechen.
Mutter Natur sortiert solche Zeitgenossen für gewöhnlich aus; das blieb auch ihm nicht erspart.
Aber Felix "wollte"....ich habe schon lange kein Lebewesen mehr so direkt erlebt, das einfach nur "wollte". Leben.
Und warum mir das beim Staubsaugen einfällt, weiß ich nun selber nicht.
Aber ich bin dankbar
- für die Erinnerungen an seine ersten kräftigen Nuckelversuche an der zuvor so unbeholfen von mir angefertigten Aufzuchtflasche (hey! Du hast 2 Milliliter Milchersatz gesoffen - gib five, Alter!)
- für die Buddy-Momente im Stau der letzten Sommerhitze auf den Wegen zum Tierarzt
- für das Spüren der "ich will leben!"-Krallen auf meinen nackten Unterarmen
- für die Tränen, die ich zum Abschied geweint.
Felix hat mir die Tränen zurückgebracht, die ich mehr als ein Jahrzehnt nicht weinen konnte.
Ich bin wohl ziemlich sensibel...und ein sentimentaler Typ, aber ich konnte einfach nicht mehr weinen. Muss es mir wohl irgendwann verboten haben. Spooky.
Was die kleine Fellnase mit dem traurig-gutmütigen Blick in drei Wochen geschafft hat, das habe ich jahrelang nicht hinbekommen.
Danke, kleiner Felix, auch wenn wir im Frühjahr nicht zusammen durch den Garten hopsen (nun, ich gebe zu, das würde bei mir auch wesentlich weniger ausgeklügelt wirken), werde ich an Dich denken, wenn es draussen anfängt zu blühen, wenn der Sommer mit den langen lauen Abenden kommt und wenn es wieder Herbst wird und Dein 1. Geburtstag naht.
Wegen Dir rollen mir jetzt Tränen über die Wangen und das ist cool.
Es tut gut, zu leben und Leben zu spüren.
Das hat wohl viele Facetten - findet auch der Kobold, der jetzt bei Omma Else wohnen soll.
Habe sie kürzlich noch getroffen und das mit der Explosion mal geklärt.
So von Mann zu Omma.
Der Kobold schnorchelte vergnügt durch ihren Türspalt, endlich aus den Fängen des Psychopathen befreit.
"Hat mich auch nur achthunderdreiundvierzich Mark gekostet, der Lümmel", sagt Oma Else...
"dann wollte mir der noch erzählen, da wäre ein Tiger im Auto, der hätte auch nen Rüssel....aber nicht mit mir, hömma!"..
"Richtig so, Oma!", denke ich - und wenn der nochmal wiederkommt, zeige ich Dir, wie man Explosionen macht. Ohne ZDF.
Danach können wir dann auch zusammen ne Träne verdrücken - aus Freude am Beömmeln zum Beispiel.
Auch da macht Weinen nämlich Spaß.
Herzlichst,
Ihr MiM
Ach MiM,
AntwortenLöschenes ist so traurig um Felix aber wenn er dir die Tränen wieder brachte, dann hat er was gutes bewirkt in den drei Wochen.
Ein Gruß an Felix nach hinter der Regenbogenbrücke.
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